Hallöchen ihr Lieben, fast ein Jahr ist es her, seit dem ich das letzte Mal hier einen kleinen Text verfasst habe. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch auf einen Medizinstudienplatz gewartet, damals hatte ich nicht erwartet in demselben Jahr noch genommen zu werden, aber wie das Glück es so wollte, studiere ich seit fast einem Jahr schon Humanmedizin. Die Zeit verging sehr schnell, es war viel zu tun, weswegen ich erst jetzt ein paar Worte zu den beiden letzten Semestern hier verfasse. Da aber das zweite noch nicht 100%ig abgeschlossen ist (es fehlt eine Biochemieklausur, die ich kurz vor Anfang des 3. Semesters schreibe), gibt es erst mal meine Erfahrungen zum ersten Semester.
Von vornherein schon mal der Hinweis: Dies werden subjektive Erfahrungen und Eindrücke sein, mit der Hoffnung dem ein oder anderen einen kleinen Einblick zu geben.
Hürde n°1: Anatomie Bewegungsapparat
Das Gefühl, zum ersten Mal in einer Vorlesung zu sitzen war ungewohnt. Eine große provisorische Halle, auch liebevoll von meinen Kommilitonen als „Hörstall“ bezeichnet, stickige Luft und instant Kaffee aus dem Automaten für 70 Cent. Ein Anatomiedozent, der wohl auch während seiner Vorlesungen den weißen Kittel gerne trägt und mit Fremdworten umher schmeißt, die man verzweifelt in Lautschrift mitkritzelt, weil diese nicht auf den wundervollen Vorlesungsfolien stehen. Wie schafft es meine nette Kommilitonin trotzdem so ordentlich und strukturiert mitzuschreiben, während es auf meinem Collegeblock Seite für Seite wie ein Schlachtfeld aussieht…
Dies fasst die erste Woche dieser neuen Welt ganz gut zusammen. Es ging los mit Histologie, den Grundgewebearten: Epithel-, Binde- und Stützgewebe, Muskel- und Nervengewebe. Das Tempo war von Anfang an sehr schnell, wir hatten bis zu Klausur schließlich nur 6 Wochen Zeit, alles über den Bewegungsapparat zu lernen. Schnell lief meine Motivation jedes Mal in der Vorlesung zu erscheinen gegen Null. Ich merkte schnell, dass mir dieser Frontalunterricht sehr wenig gebra cht hat. Jedoch war es trotzdem sehr schwer, einen eigenen Lernrhythmus zu finden. Viele Leute, auch ich, kamen direkt aus der Schule, und waren es nun ein Mal gewohnt, in einem Kursraum zu sitzen, einem Lehrer beim reden zuzuhören und das wichtige zu notieren. Vorlesungen sind da aber ein anderes Kaliber, manche Studenten kommen gut mit dieser Lernweise klar, andere, so auch ich, eher weniger. Jedoch ist es lustig mit anzusehen, wie mich jedes Mal zu Semesteranfang die Motivation packt und ich voller Hoffnung in den ersten Wochen in den Vorlesungen sitze, während ich auf den Wow-Effekt warte. Dieser kam leider noch nicht, vielleicht dann im 3. Semester?
Aber zurück zum Lernstoff: Was natürlich das Highlight war, ist und bleibt in der Vorklinik, der Präparierkurs, oder kurz ‚Präpkurs‘. Unsere Tischdozenten wussten es uns langsam daran zu gewöhnen und uns unsere Angst und Aufregung davor zu nehmen. Dies ging auch relativ schnell, und schwupdiwups war der Formaldehyd-Geruch nicht mehr fremd, der weiße Kittel wurde gern getragen und das Skalpell und die Pinzette lagen locker in der Hand. Unsere Hiwis hatten auch ihr eigenes Programm für uns: Sie übten mit uns und versuchten uns den Stoff an dem Körperspender und Skelett zu veranschaulichen, was, meiner Meinung nach, hundertmal effektiver als eine Vorlesung war. Ich möchte hiermit jetzt nicht sagen, dass Vorlesungen nichts bringen, das ist alles aus meiner subjektiven Sicht, außerdem ist dies auch Dozent- bzw. universitätsabhängig. Schließlich habe ich für mich selbst entschlossen, dass ich wohl doch der zu-Hause-Lerner bin. Weder die paar Stunden Vorlesung, noch das Herumsitzen in der Bibliothek hatten es in sich. Man muss also die ersten paar Wochen nach seinem eigenen Lerntyp forschen. Auch wenn ich im selben Jahr mein Abi gemacht hatte, war das Lernen an der Uni eine ganz andere Nummer, weswegen auch ich mich neu ordnen musste. Wenn man dies dann endlich begriffen hat, muss man sich eigentlich nur noch die richtigen Bücher anschaffen und dann kann es auch schon so richtig los gehen. Wie du sicher merken wirst, gibt es eine große Auswahl an Anatomieatlanten und Lehrbüchern. Es ist also sehr empfehlenswert, sich die Bücher vorher in aller Ruhe in einer Buchhandlung oder Bibliothek anzuschauen, um das richtige Buch zu finden. Hierbei geht es darum, dass man mit der Sprache zurecht kommt und auch eigene Geschmäcker mit einbezieht. An den meisten Unis gibt es auch oft Bücherflohmärkte, da spart man viel Geld und es lohnt sich, nicht jedes Buch neu zu kaufen, denn in diesem Studium wird sich mit der Zeit ein riesen Haufen an Büchern ansammeln. Meine persönliche Empfehlung: die Promethen in Kombination mit Endspurt und/oder MediLearn. Der Prometheus hat tolle Bilder und gute Texte, während die beiden Skripte einen groben Überblick und gute Zusammenfassungen bieten, damit man nicht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, denn das kann ganz schnell passieren. Wem das nicht reicht und mehr Text mag, kann sich auch durch die Vielfalt an dicken Lehrbüchern schlängeln. Die Duale Reihe bietet sich hier auch ganz gut an, wie ich finde. Wie man dann mit den Büchern arbeitet, ist einem selbst überlassen. Ich schreibe immer Lernzettel und lerne diese dann auswendig. Außerdem gibt es auch Lernkarten (z.B. die Prometheus-Lernkarten oder von Smartmedix), die perfekt für unterwegs oder ganz entspannt im Bett sind. Manch andere können auch nur mit selbstgeschriebenen Karteikarten lernen oder auch, indem man allein mit dem Buch lernt, welches dann markiert und beschrieben und beklebt wird (für mich persönlich keine gute Alternative, es würde mir im Herzen wehtun in meinem Prometheus hinein zu kritzeln…). Noch ein Tipp: Mit einem Kommilitonen die Themen üben, indem man sich gegenseitig abfragt. So bleibt vieles ganz einfach hängen und es macht sogar Spaß. Und wenn ihr an eurer Uni auch die Möglichkeit habt, alte Klausuren zu üben, dann ist dies die beste Methode effektiv den Stoff zu lernen.
Hürde n°2: Chemie
Chemie… Allein dieses Wort ist haarsträubend. Ich hatte in der Oberstufe Chemie und Physik direkt abgewählt, da ich damals nicht davon ausging, es irgendwann nochmal zu gebrauchen, da ich mit diesen Fächern ohnehin nichts mehr zu tun haben wollte. Tja, falsch gedacht, liebes Vergangenheits-Ich. Somit musste ich quasi von Null beginnen. Ich fing an, parallel zum Chemiepraktikum, die Chemievorlesungsfolien zusammenzufassen. Ich übte alle Altklausuren, die wir zur Verfügung hatten, kaufte mir sogar die ‚Chemie für Dummies‘ Bücher, aber so richtig fruchten wollte es nicht. Das einzige was am Ende half, war es gezielt bestimmte Aufgabentypen zu üben, um eine Art Muster in diesen Aufgaben zu erkennen, denn allein das Theorielernen half bei mir nicht. Es ist also sehr empfehlenswert Chemie in der Oberstufe zu behalten. Auch wenn man es abgewählt hat ist es machbar, bloß eben mit viel mehr Stress und Lernerei. Viele meiner Kommilitonen nahmen sich auch Nachhilfe, was ebenfalls eine Möglichkeit ist. Aber Bücher und Google reichen in der Regel auch, um sich den Stoff anzueignen. Ein Klassiker unter den Chemie-für-Mediziner-Bücher ist der Zeeck. Ich habe mir den auf dem Flohmarkt gekauft, kann ihn aber nicht sehr empfehlen. Er ist zwar sehr ausführlich und als Nachschlagwerk sehr zu empfehlen, aber schaut ihn euch erst genauer an, bevor ihr einen Fehlkauf macht. Was mir sehr half war das Endspurt Skript und auf jeden Fall Medilearn, da diese Skripte sehr einfach geschrieben sind und deshalb für Chemie-Nullchecker wie mich eine echte Rettung waren.
Disziplin n°3: Zellbiologie / Bio1
Bei uns wurde die Biologie im 1. Und 2. Semester in Zellbiologie und Mikrobiologie unterteilt. „Disziplin“ statt „Hürde“, da es in der Tat, wie ich finde, nach Terminologie (kurz Termi), das entspannteste Fach in der Vorklinik ist. Vor allem dann, wenn man bis zum Abitur Biologie in der Schule hatte. In Bio1 ging es also rund um die Zelle mit all ihren Organellen und Zyklen. Begleitend zu den Vorlesungen gab es hier auch ein Praktikum, das wir alle 2 Wochen besuchen mussten. Da haben wir dann eigentlich die meiste Zeit mikroskopiert und gezeichnet , was recht angenehm war. Hier gab es am Ende des Praktikums immer mündliche Testate. Jeder Student kam insgesamt zwei Mal dran, womit man am Ende maximal 2 Bonuspunkte sammeln konnte, welche mit zur Abschlussklausur gezählt haben. Meiner Meinung nach bedarf es hierfür keines richtigen Lehrbuchs, da der Stoff schnell begreiflich ist, da reichen Vorlesungsfolien und Endspurt völlig aus, um die Klausur und das Praktikum erfolgreich zu bestehen. Allerdings hängt das natürlich von eurem biologischen Grundverständnis und Vorwissen ab.
Hürde n°4: Physik
Wahrscheinlich ist Physik mit Chemie zusammen, das Fach vor dem sich die Meisten fürchten. Wie hoch das Niveau ist, hängt natürlich (so wie in jedem Fach) von der Uni ab. Bei uns gab es in den ersten Semesterferien das Physikpraktikum. Damit hatte ich schon mal keine Ferien und es ging weiter mit dem Lernen. Zwei Mal die Woche durften wir also physikalische Versuche machen, welche natürlich so gut wie möglich auf die Medizin bezogen waren. Als Beispiel hatten wir Röntgen, Augenmodell und Wärmelehre. Wie gut uns dieses Praktikum auf unsere Tätigkeit als Ärzte und Ärztinnen vorbereitet hat, werden wir ja in ca. 5-6 Jahren sehen 😀 Leider mussten wir uns jedes Mal auch theoretisches Wissen zu den jeweiligen Versuchstagen aneignen, denn es gab wieder mündliche Testate. Hier konnte man ebenfalls Punkte für die Abschlussklausur sammeln. Im Großen und Ganzen war das aber relativ gut zu schaffen, allerdings war es auch hier wieder sehr prüferabhängig, also bedingt auch Glückssache (aber das ist leider überall so…). Die Klausur bestand aus 25 Aufgaben. Wir durften weder Taschenrechner, noch eine Formelsammlung nutzen, weswegen hier Üben, Üben und Üben angesagt war. Das war letzten Endes auch das einzige, das geholfen hat. Es ist auf jeden Fall sinnvoll sich am Anfang erst ein Mal einen theoretischen Überblick zu schaffen, aber das was dann am Ende zählt sind Formeln und Rechnen. Da dies aber alles Übungssache ist, war dies meiner Meinung nach viel besser zu schaffen als Chemie, ist aber natürlich Typsache. Wenn man sich mit Mathe anfreunden kann und logische Vorgänge und Zusammenhänge nicht sofort abweist, kann man sich am Ende sehr gut mit der Physik anfreunden, was auch für das spätere Fach Physiologie sehr von Vorteil ist. Manche physikalischen Zusammenhänge bleiben einem dann auch vielleicht für die Zukunft im Kopf hängen, was dann das Verstehen von vielen anderen Vorgängen im Körper viel einfacher macht (zum Beispiel die Tatsache, dass Gase und Flüssigkeiten von Gebieten mit höherem Druck zu druckärmeren Gebieten diffundieren. Das macht viele Vorgänge (siehe Körperkreislauf) sehr viel logischer!). Auch hier fand ich Endspurt klasse. Medilearn war auch nicht schlecht, wenn man gerne noch physikumsorientierte Aufgaben üben möchte, kann ich die Schwarze Reihe sehr empfehlen, da hier auch sehr gut erklärte Lösungswege sind. Für Physik gibt es allgemein eine große Vielfalt an Lehrbüchern. Schaut euch hierfür an, was in eurer Uni empfohlen wird und leiht euch Bücher in der Bibliothek aus. Bei uns hatten die meisten den Trautwein, der, meiner Meinung nach, nicht schlecht ist.
Disziplin n°5: Terminologie
Ehm ja…dieses Fach war bei uns zu Semesteranfang parallel zu Anatomie. Man kann sich also schon denken, dass kaum Zeit zum Lateinlernen übrig blieb. Wir bekamen, wie in der Schule, Arbeitsblätter ausgeteilt und hat dann im wöchentlichen Kurs, der so ca. 5 Mal war, zusammen das Deklinieren geübt. Ich und viele andere hatten kein Latein in der Schule, was aber überhaupt kein Problem war, da es für solche Spezialisten ja diesen Kurs gab. Genau wie meine Beschreibung hierzu, war der Kurs kurz und knapp, wir lernten das essenzielle zum Deklinieren, um die vielen lateinischen Fachwörter zu verstehen.
Schließlich kann ich sagen, dass es trotz der riesigen Stoffmenge, von der man anfangs erschlagen wird, trotzdem machbar ist. Ich persönlich brauche viel Organisation und Planung, um am Ende und kurz vor der Klausur sagen zu können „Das schaffe ich!“. Es gab auch oft Momente in denen man sich denkt „Wozu das ganze? Ich will endlich Ferien, keine Lust mehr, meh meh meh“. Aber das gehört wohl oder übel leider dazu. Am Ende merkt man aber immer wieder, dass sich das Lernen lohnt, irgendwann geht es nicht mehr ohne, es wird zur Routine und gehört einfach dazu, so wie der Kaffee zum Frühstück oder das Popcorn im Kino. Das heißt aber keineswegs, dass man dann nicht mehr faul herumliegen kann, manchmal tut das auch sehr gut. Und manchmal, so wie jetzt, lasse ich das Ganze gerne Revue passieren, indem ich euch hier berichte. Demnächst wird auch mein Erfahrungsbericht zum zweiten Semester folgen 🙂
Viele Grüße an Euch!
Liebe dopaminjunkie, vielen vielen Dank für deine Blogeintrag über das erste Semester, der hat mir wahnsinnig viel gebracht, da ich höchstwahrscheinlich auch ein „ZuHause“ Lerner sein werde. Empfiehlst du eher Medilearn oder die Endspurt Hefte? Und es wäre total lieb wenn du erzählen würdest wie du dich organisierst, ob du die Vorlesungen ausdruckst und dann in Ordner einheftest und für jedes Fach einen Ordner hast oder wie auch immer deine Taktik ist :)?
Hey Anibay, entschuldige die späte Antowrt, aber vielleicht hilft es dir ja trotzdem weiter 🙂 ich denke Endspurt ist einen ticken detaillierter als die medilearnskripte. Wobei ich eben medilearn vor allem sehr für Physik und Chemie mochte, da diese immer idiotensicher geschrieben sind, wie ich finde. Im Endeffekt habe ich also für die beiden Naturwissenschaften medilearn bevorzugt und für den Rest die Endspurthefte benutzt. Zu meiner Organisation: ich habe immer in Collegeblöcken meine Zusammenfassungen geschrieben, und manchmal, wenn ich Lust hatte, auch mal am PC abgetippt und ausgedruckt. Diese habe ich dann nach den Klausuren immer in großen Ordnern gehalten, um sie dann z.B. für das Physikum griffbereit zu haben. Ich hoffe das konnte dir jetzt auch noch fast ein Jahr später helfen. Liebe Grüße 🙂